Objekt des Monats

März 2024

Selterswasserflaschen
Steinzeug
19. Jahrhundert

(Städtische Museen Esslingen, STME 008319.1-4)

Vier hellbraune Flaschen mit schmalen Hals und Henkel. Auf jeder Flasche ist ein Stempel des jeweiligen Quellortes aufgedruckt.
Fotografie: Michael Saile

In den Jahren 1978/79 wurde der Gebäudekomplex des heutigen Stadtmuseums umgebaut. Die beiden Häuser sind seitdem durch ein gemeinsames Treppenhaus miteinander verbunden. Für die erforderlichen Baumaßnahmen benötigten die Statiker:innen und Architekt:innen neue, genauere Pläne. Aus diesem Grunde wurde das Stadtmessungsamt der Stadt Esslingen beauftragt, die Gebäude vom Keller bis zum Dachfirst, Stockwerk für Stockwerk zu vermessen. Dabei fand man in einem Kellerraum des Hauses Hafenmarkt 7 eine große Anzahl an Steinzeugflaschen.
Es handelt sich um sogenannte Selterswasserflaschen. Der Name leitet sich ab aus dem Namen der Ortschaft Niederselters, welche ab dem 17. Jahrhundert durch ihre Mineralquellen überregional bekannt war. Neben der großen Kuranlage mit Badeanstalten und Hotels begründete sich die Popularität vor allem auf die Abfüllung des Heilwassers in Flaschen und den anschließenden Export. Der massenhafte Vertrieb des Wassers – zu Hochzeiten 1856 wurden über zwei Millionen Flaschen verkauft – ließ das Selterswasser zum Markenartikel werden und gab den für den Transport so typischen Flaschen ihren Namen. Der Absatzmarkt beschränkte sich dabei nicht nur auf den deutschen Raum. Funde aus den Niederlanden, Irland, den USA und Indonesien zeugen vom internationalen Erfolg der Mineralwasserquelle.
Die therapeutische Wirkung von Mineralwasser wurde seit Ende des 16. Jahrhunderts von Ärzten erkannt, die sowohl Bade- als auch Trinkkuren empfahlen. Große Probleme bereitete aber lange Zeit der Transport, denn das Wasser wurde schnell ungenießbar und verlor somit auch die heilende Wirkung. Der Abfüllung in Fässern und in Tonkrügen folgte schließlich die Möglichkeit mit Flaschen aus Steinzeug und einem Korkenverschluss. Im 19. Jahrhundert, als der Versand von Heilwasser Hochkonjunktur hatte, wurden zylindrische Flaschen gefertigt, die wesentlich platzsparender und auch besser gegen Transportschäden zu schützen waren.
Bei den im Keller gefundenen Selterswasserflaschen stammen zwei aus Niederselters. Diese weisen jedoch einen unterschiedlichen Stempel des Quellortes auf, wodurch eine Datierung der Flaschen möglich wird. Die ältere der beiden stammt aus der Zeit zwischen 1836 und 1866. In diesem Zeitraum prangte der Löwe des Herzogtums Nassau, in dessen Herrschaftsgebiet sich Niederselters befand, auf dem Stempel. Als Nassau 1866 an Preußen fiel, änderte sich auch das Emblem der Mineralwasserquelle. Fortan trat an die Stelle des Löwen der preußische Adler, welcher auf der zweiten Flasche aus Niederselters zu sehen ist. Der gerippte Flaschenhals deutet auf eine Entstehungszeit nach 1870 hin, denn zu diesem Zeitpunkt kamen Metallverschlüsse für die Flaschen auf, welche von den Rippen festgehalten wurden. Die beiden anderen Flaschen stammen aus Göppingen und Bad Ditzenbach und somit aus der näheren Umgebung Esslingens. Beide sind in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren.
Wie das Heilwasser seinen Weg in den Keller des heutigen Stadtmuseums fand, ist unklar. Jedoch lassen sich einige Theorien aufstellen, denn im in Frage kommenden Zeitraum lebten einige Bewohner:innen im Haus Hafenmarkt 7, die sich in schlechter gesundheitlicher Verfassung befanden, gleichzeitig aber finanziell in dazu der Lage waren, sich teures Heilwasser zu kaufen. Hier ist zunächst Jakob Ferdinand Schreiber zu nennen, der 1867 einem schon lange vorhandenen Brustleiden erlag. Seine Enkelin Johanna, die Tochter des Komponisten Christian Fink, erkrankte bereits in jungen Jahren an einem Hirntumor, durch welchen sie im Alter von 33 Jahren verstarb. Auch von ihrer Mutter Rosa Fink sind lange Kuraufenthalte in Heilbädern bekannt. Es bleibt jedoch bei reinen Spekulationen. Warum die leeren Flaschen auch noch rund 100 Jahre nach ihrer Entstehung gefunden werden konnten, ist hingegen leicht zu erklären: Der Transportaufwand für einen Rücksendung zum Quellort war zu groß, sodass die Flaschen oft für selbstgemachte Getränke weiterverwendet wurden.


Info

Aktuelles

Podcast "Studio Gelbes Haus"

Logo des Podcasts "Studio Gelbes Haus".

Neueste Folge: XXIV. WASNI - Soziale und faire Kleidung aus Esslingen

Garne, Stoffe, Waren. Vom Wert des Textilen

Plakatmotiv der Ausstellung.

Ausstellung im Stadtmuseum im Gelben Haus vom 18. November 2023 bis 2. Juni 2024

Ein Abriss. 800 Jahre Gelbes Haus

Plakatmotiv der Ausstellung.

Eine Ausstellungsintervention im Stadtmuseum im Gelben Haus
Mehr zur Ausstellung

Vorschau: More than Colours - Farbenrausch

Illustration: Chamäleon mit Blume.

Kinder-Mitmachausstellung im Museum im Schwörhaus ab 1. Mai 2024
Mehr dazu

Ferienprogramm

Gefilzte Ostereier.

Ausgebucht! Kreativangebote für Kinder in den Osterferien. Infos

Walde Huth zum 100. Geburtstag

Foto einer jungen Frau.

Fotografien aus dem Bestand des Stadtarchivs
Digitale Ausstellung des Stadtmuseums und des Stadtarchivs Esslingen.

Hilfreiche Seiten

52x-Archiv 1.095
Museumsblog 1.067