Objekt des Monats

Radio Volksempfänger 301W
Ca. 1934

(Städtische Museen Esslingen)

Schwarzer rechteckiger Kasten mit runder Aussparung für die Lautsprechermembran. Darunter drei Drehknöpfe. An der Seite befindet sich ein schwarzer Stecker.
Fotografie: Michael Saile

Das Zeitalter des Radios in Deutschland hatte kaum zehn Jahre zuvor begonnen, als der Rundfunk ab 1933 von den Nationalsozialisten vereinnahmt und für deren Propagandazwecke radikal umgestaltet wurde. Radiosendungen waren ein Schlüssel zur erfolgreichen ideologischen Durchdringung der Gesellschaft. Das vielleicht erfolgreichste Produkt der NS-Zeit überhaupt war hierbei ein Radioempfänger für die Massen – der so genannte Volksempfänger. Selbst seine technische Produktbezeichnung ist propagandistischer Natur: Das Kürzel VE steht für Volksempfänger. Die Zahl 301 erinnert an den 30. Januar 1933, den Tag an dem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.
Konstruiert wurde das Gerät von Otto Grießing, dem Chefentwickler der Firma Seibt in Berlin. Das Gehäuse wurde von Walter Maria Kersting, Professor für künstlerische und technische Formgebung der Kölner Werksschulen, entworfen. Es besteht aus Bakelit, einem frühen
Kunststoff. Der VE 301, den es in Ausführungen für Wechselstrom (gekennzeichnet mit dem Kürzel W wie bei dem vorliegenden Gerät), Gleichstrom und Batteriestrom sowie Allstrom gab, war das erste Volksempfänger-Modell, später kamen noch der günstigere Kleinempfänger
DKE, im Volksmund Goebbels-Schnauze genannt, und der Arbeitsfrontempfänger DAF zur Beschallung von Betrieben auf den Markt. Praktisch alle Radiohersteller wurden dazu verpflichtet, diese Geräte zu produzieren.
Auch in Esslinger Haushalten hielten Rundfunk und der Volksempfänger Einzug. Während 1927 im Esslinger Adressbuch nur ein einziger Radiohändler verzeichnet ist („Eberspächer“ in der Inneren Brücke 12), erhöht sich die Anzahl innerhalb von 10 Jahren auf 19 Händler
im Jahr 1937. Ein Blick in die Adressbücher aus den 1930er Jahren vermittelt dabei auch, dass Radiohören in den Anfangsjahren einiges technisches Verständnis erforderte. Esslingens Radiohändler führten überwiegend auch Radio-Bauteile und Ersatzteile aller Art oder waren, wie die Firma Hirschmann mit ihren Antennen, auf einzelne Bauteile spezialisiert. Des weiteren fällt auf, dass das Laden von Akkus besonders beworben wurde. Offensichtlich war dies eine erforderliche und damit wirtschaftlich sinnvolle Dienstleistung, die ein Indiz dafür sein mag, dass auch an Orten ohne Elektrizität Radio zum Beispiel mit dem batteriebetriebenen VE 301B gehört wurde.
Der VE301 wurde im August 1933 auf der 10. Großen Funkausstellung in Berlin vorgestellt und kostete 76 Mark. Die Parole „Ganz Deutschland hört den Führer“ formulierte unmissverständlich den Anspruch, die ideologische Gleichschaltung der Deutschen praktisch bis in jedes Wohnzimmer zu tragen. Binnen weniger Monate waren 200.000 Geräte verkauft. Ausländische Sender wie Radio London, die sich an deutsche Radiohörer:innen richteten, sendeten auf Kurzwelle. Dies stellte insbesondere Radio-Amateure, die sich ihre Ausrüstung oft aus Bausätzen selbst zusammengebaut hatten, vor keine großen Hürden. Auch die Volksempfänger konnten mit relativ einfachen Mitteln modifiziert werden.
Mit Kriegsbeginn wurde das Hören von feindlichen Sendern verboten. In der „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ vom 1. September 1939 wurden Zuwiderhandlungen als „Rundfunkverbrechen“ und Täter als „Volksverräter“ bezeichnet. Zuchthausstrafen
und in schweren Fällen sogar die Todesstrafe sollten die Bevölkerung einschüchtern und abschrecken. Ab 1941 kontrollierten Blockwarte Privatwohnungen und brachten an den Radiogeräten Pappetiketten an, die das Abhören von ausländischen Sendern als Verbrechen gegen die nationale Sicherheit bezeichneten. Für die Jahre 1939 bis 1942 verzeichnete die Reichskriminalitätsstatistik rund 2.700 so genannte Rundfunkverbrechen für Deutschland.


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